Feuer und Glas - Der Pakt by Brigitte Riebe

Feuer und Glas - Der Pakt by Brigitte Riebe

Autor:Brigitte Riebe
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2012-04-24T22:00:00+00:00


Achtes Kapitel

Zu wissen, dass Luca hinter ihr war, trieb Milla schneller voran als sonst, während unzählige Fragen in ihrem Kopf kreisten. Die Stadt schlief noch, als sie durch die Gassen liefen, wenngleich hie und da schon erste Fensterläden aufgestoßen wurden oder jemand verstohlen den Inhalt seines Nachtgeschirrs in einen Kanal leerte.

Vor einer Bäckerei, aus der es nach frischem Brot duftete, blieb sie abrupt stehen und fixierte ihn.

»Wo ist Ysa? Und lüg mich jetzt bloß nicht an! Solltet ihr Wasserleute etwas mit dem Verschwinden meiner Tante zu haben, dann …«

»Was redest du da?«, rief Luca. »Sie ist verschwunden?«

»Man muss sie entführt haben, da sind meine Mutter und ich sicher. Denn freiwillig würde Ysa niemals tagelang wegbleiben, ohne uns eine Nachricht zu hinterlassen.«

»Die einzige Schwester des Feuerkopfs!«, rief Luca kopfschüttelnd. »Natürlich haben wir nichts damit zu tun. Aber ich kann mir schon vorstellen, wer zu solchen Mitteln fähig ist.«

»Anderen die Schuld zuzuschieben, ist immer das Einfachste. Wenn du das jetzt nur behauptest, um von euch abzulenken …«

Luca kam ihr so nah, dass ihre Körper sich fast berührten. Milla musste plötzlich schneller atmen, um noch Luft zu bekommen.

»Wäre ich dann hier?«, fragte er leise. »Den Weg nach San Marco finde ich auch allein!«

Sie glaubte ihm, trotz allem, was vorgefallen war, das wurde ihr zu ihrer eigenen Überraschung bewusst. Aber leicht würde sie es ihm trotzdem nicht machen. Die Hochzeit mit Alisar stand zwischen ihnen – und vieles andere mehr. Dass Luca in der Dämmerung auf sie gewartet hatte, änderte daran auch nichts.

»Bei dir kann man niemals sicher sein, woran man ist!« Milla hatte sich erneut in Bewegung gesetzt. Den unebenen Boden unter den Sohlen zu spüren, machte es ihr einfacher, diese schier unerträgliche Spannung auszuhalten, die sich jedes Mal zwischen ihnen aufbaute. »Bei unserem letzten Zusammentreffen wolltest du mich noch unbedingt wegschicken, und heute folgst du mir auf Schritt und Tritt. Was wird als Nächstes kommen?«

»Du hast von der bevorstehenden Schlacht gehört?«, fragte er in ihren Rücken hinein.

»Wie jeder in der Stadt! Alle haben Angst, jemanden zu verlieren, den sie lieben, und den Ausgang kann niemand vorhersagen. Sollte Venedig geschlagen werden …«

Erneut überfielen Milla Bruchstücke ihres Traums. All die zerstörten Häuser. Der entsetzliche süßliche Leichengestank aus den Kanälen. Das Gefühl überwältigender Einsamkeit.

Unwillkürlich war sie langsamer geworden.

Luca hatte zu ihr aufgeschlossen.

»Solange der Pakt bestand, war Venedig unbesiegbar«, sagte er. »Doch diese Zeiten sind vorbei. Jetzt sind die Feinde in der Überzahl. Unsere Stadt wird bluten.«

Milla wollte etwas entgegnen, der Anblick der Piazza jedoch, die sich vor ihnen öffnete, hielt sie davon ab. Nach dem Dunkel der engen Gassen empfand sie deren Weite als Befreiung. Scharen grauer Tauben stiegen vor ihnen in den Himmel, als sie auf die Basilika an der Ostseite zuliefen. Im ersten Morgenrot zeigte sich die steinerne Fassade von San Marco in all ihrer Pracht. Marmor, Serpentin und Alabaster wurden von der vergoldeten Quadriga überstrahlt, die eigentlich aus Rom stammte und später über Byzanz nach Venedig gekommen war. Das Vierergespann der Pferde hob die Hufe wie im schnellen Trab – so kraftvoll und lebendig, als wollten sie im nächsten Augenblick davonstürmen.



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